29.09.2022 – Jour Fixe

Von Katzenjammer keine Spur

Am Montag, den 26.09.2022, ein Tag nach dem Bürgerentscheid zur Hinteren Insel, fand der regelmäßige Jour Fixe der Wohngenossenschaft quartier4 eG statt.

30 GenossInnen sowie neue Interessierte kamen zu diesem Info- und Austauschtermin in die Freie Schule auf der Hinteren Insel, um sich über den Stand der Dinge bei quartier4 zu informieren. Nach der Begrüßung und Einführung durch das Vorstandsmitglied Christian Wollin gab es eine kleine Kennlernrunde. Christian Wollin berichtete auch kurz über die aktuellen Zahlen der Genossenschaft.

Gemeinsame Einschätzung des Bürgerentscheids

Das Hauptthema des Abends war jedoch das Ergebnis des Bürgerentscheides „Entwicklung der Hinteren Insel“ vom Vortag und die Frage, welche Auswirkungen dies auf die Arbeit von quartier4 und für die Stadtentwicklung hat bzw. haben könnte.

Die Meinungen und Einschätzungen zu diesem Thema wurden im Rahmen einer Fishbowl-Diskussion ausgetauscht. Dazu sitzen fünf wechselnde DiskussionsteilnehmerInnen in einem inneren Kreis und sprechen über das Thema. Die anderen Anwesenden hören währenddessen zu, sie treten bei Wunsch in den Diskussionskreis ein und lösen andere im Kreis ab. Somit können alle mitdiskutieren und die Zuhörenden bekommen zeitgleich alle, für sie relevanten, Informationen.

Die meisten Anwesenden waren von dem klaren Ergebnis der Abstimmung überrascht. Natürlich ist es enttäuschend, dass die positive Entwicklung der Hinteren Insel durch die Ablehnung einer Bebauung auf den vier geplanten Baufeldern zunächst für ein Jahr gestoppt ist. Einige GenossInnen hatten mit viel Zeit und Energie über verschiedene Kanäle versucht, mit umfassenden Informationen der plakativen Darstellung der BIHI etwas entgegenzusetzen und so dem Informationsdefizit vieler BürgerInnen entgegenzuwirken. Es wurde deutlich, dass es heutzutage immer aufwändiger und schwieriger wird gut und ausreichend zu informieren, insbesondere, wenn es um komplexe Themen geht.

Der Stopp der geplanten Bebauung und die Folgen für die Stadtentwicklung

Unklar ist, welche Bedeutung der Stopp der Wohnbebauung für den städtischen Finanzhaushalt haben wird. Einige Anwesende sehen in der teilweisen Abkehr vom Rahmenplan die Gefahr, dass bei entsprechendem finanziellem Druck, genau auf diesen Flächen, die angeblich zum grünen Park umgestaltet werden sollen, am Ende doch Luxusvillen für wenige Reiche gebaut werden.

Es wurde auch die Frage gestellt, wie diese Fläche, die momentan ein großer, geteerter Parkplatz ist, dauerhaft gegen Spekulation und Verkauf an Investoren gesichert werden kann. Darüber hatte man bisher nichts von der BIHI gehört, die dort einen von ihr propagierten „Englischen Garten“ schaffen will. Auch über die Finanzierung dieses „Englischen Gartens“ – direkt neben dem großzügigen und wunderbaren Bürgerpark – gibt es von der BIHI keine Informationen. Es wurden Vermutungen geäußert, dass Mitglieder der BIHI ein wirtschaftliches Interesse daran haben könnten, die Stadtentwicklung zu stoppen. „Wenn ein Mitstreiter der BIHI durch eine Bebauung der Hinteren Insel für seine Ferienwohnungen den Seeblick verliert, kann das schon ein Grund sein, sich entsprechend zu engagieren. Für Ferienwohnungen mit Seeblick und Sonnenuntergang kann man natürlich viel mehr Geld verlangen.“

Aus der Perspektive von quartier4

Einig waren sich die Diskutierenden, dass der satzungsgemäße Auftrag der Wohngenossenschaft quartier4, bezahlbaren, nachhaltigen und guten Wohnraum zu schaffen, wichtiger ist, als je zuvor. Die Genossenschaft lässt sich auch durch diese Verzögerung nicht den Mut nehmen. „Es gibt auf der Hinteren Insel auch alternative Grundstücke, die der Stadt Lindau gehören“, wie der ehemalige Stadtrat Uli Kaiser anmerkte. Ein weiterer Diskussionspunkt war, ob die politische Zurückhaltung von quartier4 in der Öffentlichkeit richtig war. Im Großen und Ganzen war dazu die Meinung: Ja – denn es ging um eine Auseinandersetzung des Stadtrats zusammen mit der Verwaltung gegen die BIHI und einige wenige Stadträte.

Die Wohngenossenschaft quartier4 sollte sich auf jeden Fall aktiv um Alternativen auf der Hinteren Insel, z.B. im Baufeld Mitte, bewerben und es wurde die Empfehlung ausgesprochen, jetzt an den Stadtrat heranzutreten. Für die Zukunft soll sich der neu gegründete Arbeitskreis „Strategie und Öffentlichkeitsarbeit“ dieses Themas annehmen und Vorschläge dazu ausarbeiten.

Es wurde betont: „Wir können ein Partner der Stadt beim Lösen von Problemen sein. Wir fordern nicht, sondern machen Angebote.“ Die quartier4 eG ist inzwischen bekannt und hat einen guten Ruf, das ist eine gute Ausgangsposition. Aber als Genossenschaft müssen wir natürlich auch das Ergebnis des Bürgerentscheids respektieren.

Weitere Überlegungen

Angedacht wurden auch Zwischenprojekte in Bestandsgebäuden auf der Insel und evtl. auch auf dem Festland. Es entstand eine rege Diskussion mit dem deutlichen „Dafür“, den Fokus weiterhin auf die Hintere Insel zu richten. Petja Meidlinger brachte diese Diskussion auf den Punkt: „Es gibt kein „entweder – oder“ sondern ein „sowohl, als auch“. Kreativität und neue Ideen sind gefragt.

Einhellige Meinung

Die Insel soll auch in Zukunft ein lebenswerter Ort bleiben. Dazu gehören neben Erholung (Bürgerpark, Ring aus Inselgärten) eben auch Arbeiten, Lernen, Wohnen, Leben, Austausch und Feiern. Gastronomie und Tourismus gehören selbstverständlich ebenfalls dazu. Die Mischung macht‘s aus.

Eine im Winter verwaiste Rollladensiedlung oder tote Touristenstadt mit Ferienwohnungen will keiner.

Ein wichtiger Input dazu war die Idee, dass das neue Baulandmobilisierungsgesetz helfen könnte Zweitwohnungen und Ferienwohnungen zu verhindern, um Lindau wieder lebendiger zu gestalten. Auch steht nach Meinung der Anwesenden „eine radikale Bestandsaufnahme des Leerstandes auf der Insel durch die Stadt dringend an“.

quartier4 blickt positiv in die Zukunft

Vorstand Christian Wollin ist zuversichtlich: „Auch, wenn wir aktuell etwas ausgebremst sind, blickt quartier4 positiv in die Zukunft. Die Wohngenossenschaft quartier4 wird sich weiterhin mit seinen 142 Genossinnen und Genossen aktiv und mit voller Energie für die Schaffung bezahlbaren Wohnraumes in Lindau einsetzen, als Gegenkonzept zu Spekulation und Mietwucher. Weitere Unterstützerinnen und Unterstützer sind herzlich willkommen!“

Bericht : Christian Wollin

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